Schöne Sprüche, liebe Grüße und Glückwünsche Herzgrüße
Herzgrüße
Autoren
Betina Graf Über uns
Mann, der am Computer schreibt

Die Ghostwriter der Autobiografen

Prominente veröffentlichen gerne Autobiografien, also Biografien aus der eigenen Sicht, um auf ihr Lebenswerk oder zumindest eine größere Leistung aufmerksam zu machen. Theoretisch sind schreibender Autor und Erzähler der Geschichte dabei identisch. In der Realität werden Autobiografien aber oft von Ghostwritern geschrieben.

Alt-Kanzler verklagt seinen Ghostwriter

Im März 2016 begann ein Prozess, den Alt-Kanzler Kohl gegen den ehemaligen WDR-Reporter Heribert Schwan, dessen Co-Autor Tilman Jens und den Verlag Random House anstrengte, um gegen eine Biografie zu seiner Person vorzugehen. Der Vorwurf: Der Autor habe Kohl in seinem Buch als verbitterten und rachsüchtigen Menschen charakterisiert. Schwan habe vor allem einen Rechts- und Vertrauensbruch begangen. Der Journalist habe die für eine Autobiografie gedachten privaten Informationen genutzt, um sie in einer Kohl-Biografie unter eigenem Namen verfälscht zu publizieren.

Schwan war nach dem Ende von Kohls Kanzlerschaft ein enger Vertrauter des Politikers gewesen und hatte zwischen 2001 und 2002 etwa ein halbes Jahr lang Gespräche mit dem Alt-Kanzler geführt, um dessen Autobiografie zu schreiben. Doch war es später zwischen den beiden zu einem Zerwürfnis gekommen und der Journalist hatte das Buch in seinem eigenen Sinne geschrieben. Der Streit betrifft vor allem die Nutzung von Informationen, die Kohl in privaten Gesprächen auf Tonband gesprochen hatte.

Von Anderen geschriebene Auftragsbiografien sind nichts Ungewöhnliches

Dass eine andere Person die Feder führte, als die geplante Biografie im Entstehen begriffen war, ist in keinster Weise ungewöhnlich, auch wenn der Autor selber des Schreibens mächtig ist. Im Falle Kohls gab es bereits eine Vielzahl von Büchern über den Kanzler. Der aber wollte endlich die eigene Sicht seiner Geschichte darlegen. Um sich besser auf das Vergangene konzentrieren zu können, wird in einem solchen Fall ein professioneller Autor engagiert, der mit professioneller Distanz das zu Papier bringt, was der offizielle Autor mühsam aus seinem Gedächtnis kramt.

In anderen Fällen ist der beauftragte Autor einfach derjenige der beiden Beteiligten, der im Gegensatz zum Auftraggeber etwas vom Schreiben versteht. Prominente wie Dieter Bohlen und Heidi Klum haben für ihre Autobiografien auf die Unterstützung langjähriger Journalisten zurückgegriffen. Auch an einer solchen Arbeitsweise ist nichts Skandalöses, denn der Texter hat nicht etwa die Aufgabe, ein von der Sprache des beschriebenen Menschen losgelöstes Werk zu schaffen. Im Gegenteil: Die Professionalität seiner Arbeit besteht gerade darin, den Sprachstil des Erzählenden so wiederzugeben, dass er authentisch wirkt und dabei orthografisch und grammatisch einwandfrei ist. Die Kritik an der Arbeit mit Ghostwritern bezieht sich eher darauf, dass jemand engagiert wird, der es versteht, das Leben seines Auftraggebers in ein besonders strahlendes Licht zu rücken. Sie betrifft die Käuflichkeit der Professionalität des Autors.

Der Ghostwriter ist Geschichtenerzähler und schweigsamer Geselle seines Auftraggebers

Im Jahre 2015 ging ein skandalträchtiger Musiker an die Planung seiner Autobiografie. Obwohl noch in den Zwanzigern, hatte der Deutsch-Rapper Shindy eine beeindruckende Vita vorzuweisen: Zwei Alben in obersten Chart-Platzierungen und Gold-Status, zwei landesweite Musik-Awards und eben jede Menge Skandale. Die betrafen vornehmlich das Verhältnis Shindys und Bushidos, seines Freundes und Musikerkollegen, zu ihrem Konkurrenten Kay One. Die Angriffe zwischen den Parteien reichten wohl von „pubertären“ Beleidigungen über Pädophilie-Vorwürfe bis hin zu der Beschuldigung, Bushido und Shindy seien mit der Mafia verbandelt. Die Leserschaft freute sich mit der Autobiografie auf interessante Einsichten.

Die kamen aber nicht. In einem ausführlichen Interview auf YouTube erklärt Shindy, warum er darauf verzichtet habe, auf die Vorgänge einzugehen. Stattdessen schildert er intensiv, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden gewesen sei, seinem Ghostwriter, dem Journalisten Josip Radovic, seinen persönlichen Sprachstil zu vermitteln. Das gelang immerhin so gut, dass der Leser in “Der Schöne und die Beats” glaubt, den Hip-Hopper selber sprechen zu hören. Die Geschichte an sich jedoch dürfte den einen oder anderen enttäuschen. Der Gangsta-Rapper ist ein normaler Junge, der sich mit viel Ehrgeiz von der Provinz an die Spitze der Musikwelt arbeitet. Shindy meint im Interview, eigentlich sei seine Laufbahn so etwas wie ein Märchen. Zu einer Art Märchenbuch wurde auch die Autobiografie, in der nebeneher langweilig erscheinenden Banalitäten vor allem viel Raum für ungeschriebene Rätsel bleibt. Das Werk jedenfalls schnellte nach Erscheinen in die Sachbuchbestsellerlisten. Was wohl auch der Sinn des Ganzen war.